von Thamina Stoll
„Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut.“, stellt der Bundestag des DFB am 30. Juli 1955 fest und verbannt damit den Frauenfußball für fünfzehn Jahre. [1] Frauen und Fußball, das widerstrebe der Natur des weiblichen Geschlechts. Sexismus wie er im Buche steht. Das Verbot wurde 1970 zwar aufgehoben, doch die Diskriminierung blieb – und das bis heute.
Schuld ist in erster Linie die Aufrechterhaltung von Stereotypen, welche ihren Ursprung in den Vorstellungen, die die Gesellschaft von Geschlechterrollen hat, findet. Indem Frauen Fußball spielen, verstoßen sie nämlich gegen ihre Geschlechterrolle, da eine fußballspielende Frau nicht den Erwartungen entspricht, welche die Gesellschaft an sie stellt, etwa zärtlich, sanft und empfindlich zu sein. Das ist beispielsweise auch der Grund, weshalb Karrierefrauen bzw. Frauen in Führungspositionen oftmals mit Argwohn betrachtet werden, aber das nur am Rande.
„Es gibt keine schwulen Fußballer“
Auch das Thema Homophobie stellt nach wie vor ein großes Problem im deutschen Fußball dar. Die Tatsache, dass sich mit Thomas Hitzelsperger bislang nur ein prominenter (Ex-)Bundesligaprofi geoutet hat (und das wohl gemerkt erst nachdem er seine Karriere beendet hatte) und Philipp Lahm beinahe ein ganzes Kapitel seines Buches „Der feine Unterschied. Wie man Spitzenfußballer wird“ damit verschwendet, Gerüchte über seine angebliche Homosexualität zu dementieren, beweist, dass „Schwulsein“ im Fußball nach wie vor ein Tabu ist. Nicht nur ein Tabu, sondern angeblich nicht existent. Auf die Frage nach schwulen Fußballern antwortet der ehemalige Nationalspieler Mario Basler in einer Dokumentation des Deutschen Sport Fernsehens: „Gibt es nicht, sag ich nix dazu. Gibt es nicht. Es gibt keine schwulen Fußballer.“ [2] Es ist interessant und erschreckend zugleich, dass Coming Outs in anderen Bereichen der Gesellschaft wie Politik und Wirtschaft nicht krampfhaft totgeschwiegen werden bzw. mit negativen Folgen für die Betroffenen verbunden sind.
Eine der größten Verfechterinnen für mehr Akzeptanz für Homosexuelle im deutschen Fußball ist die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens. Die Diplom-Sportwissenschaftlerin ist seit 2006 Delegierte der European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF), einer Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Homophobie im Sport zu bekämpfen und Integration zu fördern. Der Verband, der mittlerweile über 15.000 Mitglieder verfügt und in über 30 Ländern aktiv ist, unterstützt unter anderem auch lokale Gruppen bei der Gründung von LGBTQ-Sportvereinen und bietet die notwendige Infrastruktur. Darüber hinaus organisiert die EGLSF alle zwei Jahre die „EuroGames“, die europäischen LGBT-Meisterschaften, die in einer Vielzahl von Sportarten ausgetragen werden. Walther-Ahren kritisiert offen „überkommene Männlichkeitsvorstellungen“, die den Fußball aus ihrer Ansicht auch heute noch dominieren:
„Fußball ist, sowohl auf dem Feld als auch in den Fankurven, ein Reservat, ein Schutz- und Rückzugsraum für überkommene Männlichkeitsvorstellungen. Der letzte Ort, an dem „wahre Männlichkeit“ gelebt werden kann. Diese Männlichkeit des Fußballs wird über die Abgrenzung zu Frauen und Schwulen und damit durch Sexismus und Feindlichkeit gegenüber Schwulen und Lesben erreicht. Schlechte Spieler werden als „Mädchen“ oder „Schwuchtel“ bezeichnet. Fußballspielende Frauen sind immer noch „Mannweiber“ oder „Lesben“.“ [3]
„Ich möchte keine Vorzeigelesbe sein“
Und obwohl „der öffentliche Druck bei den Männern […] ein ganz anderer“ [4] sei, wie DFB-Direktorin und Ex-Nationalspielerin Steffi Jones betont, haben auch deutsche Fußballerinnen mit den Folgen von Diskriminierung zu kämpfen. Jones gab ihre Homosexualität 2013 bekannt, mit der Begründung, sie sei sich sicher, dass sie mit ihrer Lebenspartnerin Nicole den Rest ihres Lebens verbringen möchte, wie die 42-Jährige in einem Interview mit der FAZ verrät. Sie erweckt einen recht nüchternen Eindruck, macht keinen großen Deal aus ihrer Homosexualität. Für die Presse ist das allerdings ein gefundenes Fressen. Vor nicht allzu langer Zeit fielen die Nationalspielerinnen Inka Grings und Linda Bresonik den Medien zum Opfer, als ihnen eine Dreiecksbeziehung mit ihrem damaligen Trainer Holger Fach nachgesagt wurde. Torhüterin Ursula Holl heiratete 2010 ihre Freundin und ging damit ebenfalls an die Öffentlichkeit, weil sie kein Geheimnis aus ihrer Beziehung machen wollte. Sie rechnete damit, „zwei, drei Interviews“ [5] zu geben und dann sei das Thema durch. Falsch gedacht. Seit ihrem Outing bekomme sie fast ausschließlich Anfragen zu diesem Thema, wie es in einem Artikel im Tagesspiegel heißt. „Doch Holl möchte nicht die Vorzeigelesbe sein, sie möchte als Sportlerin gesehen werden.“ [6]
Verschärfung von Weiblichkeitszwängen
Die sexuelle Orientierung eines Menschen sollte ihn nicht definieren. Jedes Individuum hat das Recht, sich selbst zu erfinden. Presse und Gesellschaft scheinen dem offensichtlich zu widersprechen. Ein Grund, weshalb sich einige Fußballspielerinnen, unter anderem eben Ursula Holl, dazu entschieden haben, künftig keine Fragen mehr zu ihrem Privatleben zu beantworten. Auch der Deutsche Fußballbund scheint nach wie vor seine Probleme mit Homosexualität zu haben, wie dessen verzweifelter Versuch, den Frauenfußball einem Imagewechsel zu unterziehen, beweist. Zur Frauenweltmeisterschaft 2011 startete der DFB eine PR-Kampagne unter dem Slogan „20elf von seiner schönsten Seite” mit dem Ziel, die Nationalmannschaft möglichst weiblich und sexy zu präsentieren. So ließen zum Beispiel fünf Bundesligaspielerinnen für den Playboy ihre Hüllen fallen; der Spielzeugfabrikant Mattell brachte Bundestrainerin Silvia Neid und Rekordnationalspielerin Birgit Prinz als Barbie-Puppen in die Geschäfte. Frei nach dem Motto: Sex sells. Es ist ein zweischneidiges Schwert, denn auf der einen Seite möchte man dem bestehenden Klischee des fußballspielenden „Mannsweibes“ entgegenwirken, auf der anderen Seite gilt es, Toleranz gegenüber der LGBTQ-Community zu kommunizieren. Die gesellschaftliche Aufwertung, die der Frauenfußball in den vergangene Jahren erfahren habe, sei grundsätzlich mit einer Verschärfung von Weiblichkeitszwängen verbunden, meint Nina Degele. [7] Die Soziologin ist Autorin des Buches „Fußball verbindet – durch Ausgrenzung“, in dem sie unterschiedliche Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung im Fußball untersucht und zu dem Schluss kommt, dass „[w]ir wissen, wer wir sind, wenn wir wissen, von wem wir uns unterscheiden“ [8].
Eine Lösung ist (noch) nicht in Sicht
Homophobie ist auch der Grund, weshalb wir so wenig Fußballerinnen in der Werbung sehen. Dr. Daniela Schaaf, Kommunikationswissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule Köln ist dieser Frage etwas genauer auf den Grund gegangen. In Gesprächen mit Sponsoren stellt sich schnell heraus, dass der Mangel an Fußballerinnen in der Werbung nicht auf deren – im Vergleich zu den Männern – geringeren Bekanntheitsgrad zurückzuführen ist:
„Das ist doch total klar, warum die keine Werbepartner haben. Das sind doch alles Lesben und wer will schon Lesben in der Werbung sehen. […] Nein, nein, meine persönliche Meinung ist das nicht, ich habe überhaupt kein Problem damit. Aber ähnliches haben auch andere Sponsoren gesagt, dass sie selber kein Problem damit haben, aber von anderen Kollegen wissen, dass es ein Problem für die Konsumenten ist.“ [9] -Vertreterin eines Sponsors
Die mediale Aufmerksamkeit, die Profi-Fußballspielerinnen während einer Weltmeisterschaft erfahren ist dennoch immens – wenn auch nicht annähernd mit der der Männer vergleichbar. Eine einmalige Gelegenheit, um auf die bestehenden Problematiken hinzuweisen und klar Stellung zu beziehen. So betont die dreimalige Weltfußballerin Birgit Prinz in einem Interview mit dem stern im Jahr 2004, dass sie lieber ihren Sport vermarkten möchte, „nicht unseren Hintern“ [10]. Nationalspielerin Fatmire “Lira” Alushi, geborene Bajramaj beklagt in ihrer Biographie, dass „[d]adurch, dass alle immer nur hinter vorgehaltener Hand reden und nie offen damit umgehen, machen sie aus etwas ganz Normalem etwas Anrüchiges“ [11].
Studien zufolge ist der Anteil homosexueller Fußballerinnen deutlich höher als im Durchschnitt der Gesellschaft – 30 bis 40 Prozent im Vergleich zu fünf Prozent. [12] Allerdings darf hier nicht der Fehler gemacht werden, zu generalisieren. In den achtziger Jahren – als Lesben in Deutschland nach wie vor im „gesellschaftlichen Abseits“ standen – boten sich Fußballclubs als Zufluchtsort für homosexuelle Frauen an, da sie dort akzeptiert wurden. 30 Jahre später fehlt dem deutschen Fußball immer noch ein offener, selbstverständlicher Umgang mit Homosexualität.
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Quellen:
[1] Bundeszentrale für Politische Bildung (o.J): Die graue Spielzeit. http://www.bpb.de/gesellschaft/sport/graue-spielzeit/ (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[2] Walther-Ahrens, Tanja (o.J.): Nachhaltigkeit heißt Vielfalt leben. In: Gesichter der Nachhaltigkeit. http://www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de/gesichter/tanja-walther-ahrens (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[3] Walther-Ahrens, Tanja (o.J.): Nachhaltigkeit heißt Vielfalt leben. In: Gesichter der Nachhaltigkeit. http://www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de/gesichter/tanja-walther-ahrens (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[4] Meuren, Daniel (2014): Unaufgeregte Küsse von der Tribüne. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 09.01.2014. http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/homosexualitaet-im-frauenfussball-unaufgeregte-kuesse-vor-der-tribuene-12744735.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[5] Myrrhe, Anke (2011): Barbiepuppen statt lesbische Wuchtbrummen. In: Der Tagesspiegel. 16.07.2011. http://www.tagesspiegel.de/sport/homosexualitaet-im-frauenfussball-seite-2-nicht-mehr-hand-in-hand-zum-training-um-die-eltern-nicht-abzuschrecken/4399790-2.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[6] Myrrhe, Anke (2011): Barbiepuppen statt lesbische Wuchtbrummen. In: Der Tagesspiegel. 16.07.2011. http://www.tagesspiegel.de/sport/homosexualitaet-im-frauenfussball-seite-2-nicht-mehr-hand-in-hand-zum-training-um-die-eltern-nicht-abzuschrecken/4399790-2.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[7] Grosse, Lan-Na; Otto, Ferdinand (2014): Schwule Mädchen. In: taz. 27.01.2014 http://www.taz.de/!131520/ (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[8] Degele, Nina (2013): Fußball verbindet – durch Ausgrenzung. In: Springer VS. http://www.springer.com/us/book/9783531186207?cm_mmc=event-_-bookAuthor-_-congratulation-_-0&cm_mmc=EVENT-_-BookAuthorCongratulationEmail-_- (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[9] Rosa (username) (2011): Im Abseits: Daniela Schaaf über Vermarktung im Frauenfußball. In: Spielfeldschnitte – Blog für Frauenfußball-Kultur. 10.01.2011 http://spielfeldschnitte.blogspot.com/2011/01/im-abseits-daniela-schaaf-uber.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[10] Stern (2004): „Wir wollen unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern“. In: Stern. 14.01.2004. http://www.stern.de/sport/fussball/fussballerin-birgit-prinz-wir-wollen-unseren-sport-vermarkten-nicht-unseren-hintern-518825.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[11] Walther-Ahrens, Tanja (o.J.): Nachhaltigkeit heißt Vielfalt leben. In: Gesichter der Nachhaltigkeit. http://www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de/gesichter/tanja-walther-ahrens (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
[12] Myrrhe, Anke (2011): Barbiepuppen statt lesbische Wuchtbrummen. In: Der Tagesspiegel. 16.07.2011. http://www.tagesspiegel.de/sport/homosexualitaet-im-frauenfussball-seite-2-nicht-mehr-hand-in-hand-zum-training-um-die-eltern-nicht-abzuschrecken/4399790-2.html (zuletzt aufgerufen am 28. April 2015).
Wie Sie diesen Artikel korrekt zitieren:
Stoll, Thamina (2015): Homosexualität, Homophobie und Sexismus im deutschen Fußball. In: World Cup Guide 2015, Soccer Politics, Duke University. http://sites.duke.edu/wcwp/world-cup-guides/world-cup-2015-guide/die-frauenfusballweltmeisterschaft-2015-ein-uberblick-aus-deutscher-perspektive/homosexualitat-homophobie-und-sexismus-im-frauenfusball/ (zuletzt aufgerufen am DATUM).