Die unauffälligen Stars – Schiedsrichterinnen der Weltmeisterschaft

Bei der Frauenfussballweltmeisterschaft 2015 werden selbstverständlich die meisten Hauptdarsteller weiblich sein. Neben den Spielerinnen wird auch so mancher Trainerstab aus hauptsächlich Frauen bestehen. Vielen unbekannt ist jedoch, dass auch sämtliche Schiedsrichter des Turniers dieses Mal Schiedsrichterinnen genannt werden wollen.
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Quelle: fansoccer.de

Zum Frauenfussball gehört natürlich auch, dass das Spiel von einer weiblichen Offiziellen geleitet wird. Am 30. März 2015 nominierte die FIFA die 22 Frauen, die die Spiele bei der Fussballweltmeisterschaft der Frauen 2015 in Kanada pfeifen sollen. Die Schiedsrichtergespanne werden durch je zwei Assistentinnen und 7 weitere Schiedsrichterinnen zur Unterstützung vervollständigt, wodurch sich eine Gesamtzahl von 73 Unparteiischen aus 49 Ländern ergibt. Eine Liste mit einer Übersicht aller FIFA Schiedsrichterinnen gibt es hier. Interessanterweise sind jedoch nur 5 Schiedsrichterinnen dabei, die auch schon Spiele bei der letzten Weltmeisterschaft der Frauen geleitet haben. Hier zeigt sich einmal mehr die schnelle Weiterentwicklung des Frauenfussballs, in der die Qualität und Anforderungen an die Schiedsrichterinnen ebenso schnell steigen wie weltweite Zuschauerzahlen.
So manch aufmerksamer Fussballbeobachter mag sich nun fragen, warum nur 73 und nicht etwa die wie bei den Männern üblichen 99 Schiedsrichter nominiert wurden. Dies liegt daran, dass sich bei den Frauen nur 24 statt 32 Teams in der Endrunde befinden und daher die Nachfrage nach Schiedsrichterinnen etwas geringer ist.

Nach einem Trainirefereengsseminar in Zürich vom 18. bis 24. April und einem anschließenden Seminar in Vancouver zehn Tage vor dem Anpfiff der WM 2015 wird definitiv entschieden, welche Schiedsrichterinnen zum Einsatz kommen und welche zur Unterstützung bereitstehen werden. Die Teams aus erster Schiedsrichterin, zwei Assistentinnen und einer vierten Offiziellen am Spielfeldrand können im Turnierverlauf wechseln und werden je nach Abschneiden der jeweiligen Nationalmannschaften eingesetzt, um Neutralität der Schiedsrichterinnen garantieren zu können.

Warum sind eigentlich sämtliche Schiedsrichter des Turniers weiblich? Hierfür gibt es zweierlei Gründe. Erstens unterscheidet sich die Spielweise der Frauen besonders im physischen Bereich noch stark von der Spielweise der Männer, wodurch weibliche Schiedsrichter, die sich auch außerhalb der Weltmeisterschaft auf Frauenfussball beschränken, deutlich unvoreingenommener sind. Harte Fouls im normalen Spielverlauf sind noch immer die Ausnahme, auch wenn sich über die letzten Jahre besonders im europäischen Raum eine deutlich körperbetontere Spielweise entwickelt hat.
In den USA gibt es anstatt überharter taktischer Fouls im Spiel allerdings vermehrt Duelle, die die Grenzen eines alltäglichen (wenn auch überharten) Fouls im spielerischen Geschehen überschreiten und sich zu persönlichen Auseinandersetzungen auf dem Spielfeld entwickeln. Auch hiermit haben die Schiedsrichterinnen eine bessere Erfahrung als ihre männlichen Kollegen. Beispielhaft für diese sehr unsportlichen Diskrepanzen ist Elizabeth Lambert, eine Fussballspielerin aus New Mexico, die in einem Mountain West Conference Halbfinale im Spiel gegen BYU weltweite Berühmtheit durch ihre Fouls erlangte. Besonders ihr extrem rabiates Reißen am Zopf ihrer Gegenspielerin (in Minute 0:36 im Video) sorgte für verschrecktes Staunen in der Fussballwelt:

 

 

Zweitens wird durch eine weibliche Offizielle eine respektvolle Gleichstellung zwischen allen beteiligten Parteien garantiert. Der Dialog zwischen Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterin kann durch ein gleiches Geschlecht vereinfacht werden, denn die Zugänglichkeit eines Schiedsrichters ist eine der wichtigsten Fähigkeiten. In unzähligen Situationen während eines Spiels muss der Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin kleiner Konflikte mit Feingespür lösen, ohne direkt auf Karten oder andere Sanktionen zurückgreifen zu müssen.

 

Im Rampenlicht: Bibiana Steinhaus

Weltweite Anerkennung als beste weibliche Schiedsrichterin hat die deutsche Bibiana Steinhaus (36) erlangt. Auch aus deutscher Sicht war ihre Nominierung für die Weltmeisterschaft keine Überraschung, nachdem sie die erste Schiedsrichterin war, die in Deutschland Spiele in der 2. Bundesliga (Herren), im DFB Pokal (Herren) und WM Finale und Olympia Finale (Frauen) pfeifen durfte. Nur 2% der mehr als 80.000 Schiedsrichter in Deutschland sind überhaupt weiblich, was ihren Leistungen im männlichen Profisport noch größere Anerkennung verleiht.

Bibiana Steinhaus

Quelle: spiegel.de

 

Nachdem Bibiana Steinhaus professionell in der Bundesliga der Frauen für den SV Bad Lauterberg spielte, wurde sie professionelle Schiedsrichterin und stieg schnell zum Star ihres Fachgebiets auf. Herbert Fandel, Vorsitzender der DFB Schiedsrichterkommission und jahrelang bester deutscher Schiedsrichter, sagt über sie: “[Sie ist] die beste Schiedsrichterin der Welt. Das sage ich überall, wo ich es loswerden kann. Das sieht aber auch jeder, der von Fußball Ahnung hat.“

Besonders ihre Durchsetzungskraft im männlichen Profisport brachte ihr über die letzten Jahre weltweit viele Bewunderer. Mit außergewöhnlicher Souveränität und einer gleichzeitig natürlichen, offenen Art leitete Bibiana Steinhaus ihre Spiele, und die viel zitierte, notwendige “klare Linie” eines guten Schiedsrichters war und ist bei ihr immer deutlich zu erkennen.

 

“Ich rede relativ viel mit den Spielern auf den Platz. Ich sage den Spielern ziemlich deutlich, was ich für eine Erwartungshaltung habe und was passieren wird, wenn das nicht eintritt. So weiß jeder, was er von dem anderen zu erwarten hat.”

-Bibiana Steinhaus

 

Für Aufsehen sorgte ein Vorfall in einem Zweitliga-Spiel von Hertha BSC gegen Alemannia Aachen im Oktober 2014. Bei dem 0-0 Unentschieden in Berlin berührte der Herthaner Peter Niemeyer Steinhaus versehentlich an der Brust. Die Unparteiische schaute zunächst etwas irritiert, konnte sich nach kurzem Augenkontakt mit dem peinlich berührten Niemeyer ein kurzes Grinsen jedoch nicht verkneifen. Nach dem Abpfiff sagte sie über diese etwas kuriose Szene, die auch im Internet auf sämtlichen Videoplattformen und in Diskussionsforen Millionenklicks generierte: “Das war unspektakulär. Für mich und Herrn Niemeyer war es nach dem Abpfiff vergessen”.

 

 

In Bezug auf die Weltmeisterschaft dieses Jahr ist Steinhaus die ultimative Vorzeigeschiedsrichterin der FIFA. Ihre Leistungen in der Vergangenheit und ihr weltweites Ansehen können sie in diesem Turnier weit bringen, sollte sie ihre bisherigen starken Leistungen auch in der WM Vorrunde bestätigen können. Ihre Souveränität in ihrem Fachgebiet und ihre Erfolge machen sie zu einem modernen Symbol für die Frau und das Frauenbild im 21. Jahrhundert, und bestärken die Hoffnungen vieler weiblicher Nachwuchsschiedsrichterinnen, mit ihrem Nebenjob erfolgreich sein zu können. Verschiedene Experten sprechen sogar über die Möglichkeit, dass ihre Popularität dazu beitragen kann, den ein oder anderen, dem Frauenfussball sonst eher abgewandten Fan von dem Potenzial dieses großartigen Sportereignisses zu überzeugen.

Einzig ihre Nationalität könnte zum Problem werden und alle Ambitionen, ein weiteres Weltmeisterschaftsfinale pfeifen zu dürfen, zunichte machen. Sollte das deutsche Team, bisheriger Favorit auf den Titel und momentaner Weltranglistenerster, ein erfolgreiches Turnier spielen, wird Steinhaus keine Spiele leiten dürfen, in denen sie entweder direkte oder indirekte Entscheidungen zu Deutschlands Vorteil treffen könnte. Da das deutsche Team seine starke Form gerade erst beim WM Härtetest bestätigte und Brasilien mit 4-0 regelrecht abschoss, kann dies durchaus eine berechtigte Sorge für die sehr ehrgeizige Schiedsrichterin sein.

 

 

 

Quellen:

“FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Kanada 2015™” – FIFA.com. Web. 17 Apr. 2015.

“Saistonstatistiken: Schiedsrichterinnen” – Framba.de. Web. 15 Apr. 2015.

“Schiedsrichterinnen setzen Messlatte hoch” – Uefa.org. Web. 16 Apr. 2015.

“Die 22 Schiedsrichterinnen der WM” – Fooneo.de. Web. 15 Apr. 2015.

“Bibiana Steinhaus” – Wikipedia.de. Web. 16 Apr 2015.

“Wann pfeift Bibiana Steinhaus endlich Bundesliga?” – Welt.de. Web. 13 Apr 2015

“Die Wahrheit über Bibiana Steinhaus” – Focus.de. Web. 17 Apr 2015

“Profil: Bibiana Steinhaus” – Transfermarkt.de. Web. 16 Apr 2015

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